St. Annagasse oder Peter- und Paul-Strasse?
Die 1’212 Strassennamen in Liechtenstein sind bunt gemischte Bezeichnungen in Hochdeutsch, Dialekt oder in einer Kombination davon. Aber lassen sich die Strassennamen anhand ihrer Bedeutung statistisch auswerten? Es war einen Versuch wert – aber keine leichte Aufgabe, da der Sinn nicht immer auf den ersten Blick oder auch auf den zweiten Blick erkennbar war. Zu diesem Zweck wurden die Strassennamen so gut als möglich kategorisiert, wobei folgende 10 Kategorien verwendet wurden: Frauennamen, Männernamen, Familiennamen, Berufsbezeichnungen, Pflanzen, Tiere, landwirtschaftliche Begriffe, Infrastruktur und Bauten, Landschaftselemente und abstrakte Begriffe. Dazu gab es einige Namen, bei denen keine Bedeutung ermittelt werden konnte oder diese nicht in die Kategorien passte.
Fast 10 Mal mehr Männer- als Frauennamen
Ursprung der Idee zu dieser Auswertung war die Frage, wie sich das Geschlechterverhältnis bei den Strassennamen aus dem amtlichen Strassenverzeichnis Liechtensteins darstellt, das heisst, ob der Peter-Kaiser-Platz oder die Goldene Boos-Gasse zur häufigeren Gruppe gehört. Allerdings zeigte sich erstens rasch, dass die Bedeutung vieler Namen alles andere als offensichtlich ist, so dass häufig das Liechtensteiner Namenbuch des Historischen Vereins weiterhelfen musste. Zweitens wurde deutlich, dass nur ein kleiner Teil, nämlich 6% der Strassennamen, überhaupt als Frauen- oder Männernamen klassifiziert werden konnten – es waren weitere Kategorien gefordert. Die Feststellung, dass die Mehrheit der Namen eher profaner Natur sind und nicht an Heldinnen- oder Heldengeschichten erinnern, dürfte nicht überraschend sein: Gewerbeweg, Rietstrasse und Wingertgass sind hierzulande geläufiger als Bezeichnungen wie beispielsweise General-Guisan-Quai aus unserem westlichen Nachbarland – der General ist im amtlichen Strassenverzeichnis der Schweiz über 50 Mal verewigt.
Im Vergleich zur Beschäftigungsstatistik oder zur volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung ist die Bedeutung der Landwirtschaft bei den Strassennamen noch immer gross: Während gemäss aktuellsten Zahlen die Landwirtschaft jeweils weniger als ein Prozent zur Beschäftigtenzahl oder zur Bruttowertschöpfung beiträgt, wurde bei immerhin 17% der Strassennamen ein landwirtschaftlicher Bezug festgestellt. Diese bilden damit die dritthäufigste Kategorie und umfassen Begriffe wie die genannte Wingertgass, Egerta oder diverse «Meder».
Mit 23% am zweithäufigsten sind Strassennamen in Verbindung mit Infrastruktur, Bauten sowie den Verkehrswegen selbst. Verbreitete Bezeichnungen wie Industriestrasse, Landstrasse oder einfach das Gässle wurden dieser Kategorie zugeordnet. Mit 31% am häufigsten sind Strassennamen, die sich auf Landschaftselemente oder -formen in der Umgebung beziehen. Halaweg, Im Loch oder Rietstrasse sind Beispiele. Letztere ist übrigens in guter Gesellschaft: Sumpfige Gebiete und Wasser scheinen auffallend häufig Eingang in Strassennamen gefunden zu haben.
Die ursprünglich gesuchten Frauen- und Männernamen müssen am anderen Ende der Häufigkeitsskala gesucht werden. Lediglich 7 Strassennamen (0.6%) erinnern an Frauen oder weibliche Vornamen. Neben der Goldenen Boos konnten auch drei heilige Frauen in der Strassennomenklatur identifiziert werden. Männer sind deutlich öfter anzutreffen, sowohl bei den Heiligen als auch bei anderen Personen. Neben dem offensichtlichen St. Martins-Ring oder der Fürst-Franz-Josef-Strasse erinnert gemäss Namenbuch beispielsweise auch der Strassenname Am Irkales an den Namen Georg. Insgesamt sind 5% der Strassennamen dieser Kategorie zugeteilt.
Mit 6% etwas häufiger sind Familiennamen und abstrakte Personenbezeichnungen anzutreffen. Berufsbezeichnungen wurden bei gut einem Prozent der Namen entdeckt – unter anderem beim Beckagässli oder beim Zöllnersteig. Ob bei diesen Bezeichnungen ebenfalls an Frauen oder an Männer gedacht wird, liegt wohl im Auge der Betrachterin oder des Betrachters.
In dieser Hinsicht neutraler sind Bezeichnungen, die an Pflanzen- oder Tiernamen angelehnt sind. Die Pflanzen sind in diesem Vergleich im Vorteil: 6% der Strassennamen von Aspen bis Zum Erlabach wurden dieser Kategorie zugeteilt, während 3% der Namen – beispielsweise Immagass oder Storchenbühel – an Tiere erinnern. Aber aufgepasst: Nicht alles, was danach klingt, gehört auch in diese Kategorien. Der Katzarank ist beispielsweise nicht aufgrund vieler Hauskatzen zu seinem Namen gekommen, und auch Im Rösle blühen nicht ausserordentlich viele Rosen.
